Was für ein Jahr! 2021 war für das Königsteiner Kinderhilfswerk Childaid Network ein Jahr voller Herausforderungen, das dem Team Höchstleistungen und immer wieder neue kreative Ideen abverlangte.
Radio war an vielen Orten in Nepal das einzige Medium, um den Kindern trotz Schulschließungen das Lernen zu ermöglichen. (Sunapati, Nepal, Juni 2021)
Ein Jahr der Herausforderungen
Es galt, auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie den Menschen in den Projektgebieten überlebensnotwendige Hilfe zu bringen und trotz Schulschließungen und Lockdowns weiter die Schul- und Berufsbildungsprogramme zu ermöglichen. Das gelang mit viel Einsatz – durch die Hilfe vieler engagierter Lehrer aus Partnerorganisationen (und freiwilliger Hilfslehrer) vor Ort, die Schülerinnen und Schüler in Kleinstgruppen im Freien unterrichteten, und wo möglich durch die Einbeziehung digitaler Medien und die Wissensvermittlung über örtliche Radiosender.
Das gesamte Childaid Network Team freut sich über den Covid-19-Relief Preis der UBS. (Königstein, März 2021).
Ein Jahr der Erfolge
Das Jahr brachte aber auch schöne Erfolge. Schon am Anfang gab es eine ganz besondere Auszeichnung: Die Stiftung, die im fünften Jahr ihres Bestehens 2011 zur Hessischen Stiftung des Jahres gekürt worden war, erhielt im März den von der Schweizer UBS Bank weltweit ausgeschriebenen und mit 50.000 US$dotierten Covid-19-Relief Video-Preis. „Eine großartige Anerkennung für unsere Arbeit und die unserer Partner während der Pandemie“, freut sich Dr. Martin Kasper, Stiftungsgründer und ehrenamtlicher Vorstand. Mit dem Preisgeld wurde die berufliche Qualifizierung vieler hundert arbeitsloser Jugendlicher in den nordostindischen Bundesstaaten Assam und Meghalaya finanziert.
In Kinderclubs lernen die Kinder über ihre Rechte und werden darin bestärkt gemeinsam für diese einzutreten. (Those, Nepal November 2021)
Stiftungsarbeit weiter ausgeweitet
„Wir haben das Schicksal von Hunderttausenden verändert“, zieht Dr. Kasper eine erste Bilanz der Stiftungsarbeit der vergangenen fast 15 Jahre. Und die Erfolgsgeschichte geht trotz Corona-Bremse weiter. Waren es im Vorjahr schon 50.000 Kinder, denen Childaid Network durch seine Bildungsangebote die Grundlage für ein selbstbestimmte Zukunft ermöglichte, sind es in diesem Jahr bereits über 100.000 Mädchen und Jungen und im kommenden Jubiläums-Jahr, werden es mindestens 150.000 sein, kündigt Dr. Kasper an. Childaid Network hat sich in seinen Projektgebieten mit insgesamt 100 Millionen Einwohnern inzwischen zum wichtigsten Partner in der Entwicklungszusammenarbeit entwickelt, kooperiert vielfach eng mit den örtlichen Regierungen und wird mancherorts sogar von ihnen gebeten, gute Projektansätze auch auf benachbarte Distrikte auszuweiten.
Junge Männer und Frauen werden in Shillong unter anderem zu qualifizierten Elektriker/innen sowie Beauty- und Wellness Expert/innen ausgebildet. (Shillong, Meghalaya, Oktober 2021)
Innovative Projekte
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert dieses Jahr die Programme von Childaid Network erstmals mit über einer Million Euro aus dem Bundeshaushalt, weil sie anerkannt wirksam und sparsam sind. Zu den innovativen Projekten gehört zum Beispiel die Berufsbildung für Wanderarbeiter in Assam und Meghalaya. Zu Hunderttausenden waren sie bei den ersten Corona-Lockdowns arbeitslos und in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt. Die Fotos von dieser Rückreisewelle gingen damals um die Welt. Um zu verhindern, dass diese Menschen nach Ende der Pandemie erneut ihre Familien verlassen müssen, erlernen viele von ihnen jetzt Berufe, die in ihren Heimatregionen gebraucht werden. So können sie sich auf eigene Füße stellen, ihre Familien ernähren und später selbst Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Region schaffen.
Gäste im Gespräch mit Daniel Fischer beim diesjährigen Projektabend. (Königstein, November 2021)
Persönliche Erfolgsgeschichten
Beim Projektabend von Childaid Network Anfang November berichteten ehemalige Heimkinder und junge Erwachsene in einem berührenden Film, wie Schul- und Berufsausbildung ihr Leben nachhaltig verändert und ihnen eine selbstbestimmte Zukunft für sich und ihre Familien ermöglicht haben. „Bildung“, betont Dr. Kasper, „ist wirklich nachhaltig, der einzige Weg aus dem Teufelskreis von Unwissenheit und Armut. Der Film zeigt, wie es uns gelingt, nachhaltig Schicksale verändern.“ Auf www.childaid.net und unter https://www.youtube.com/watch?v=ak3EFe7XtQU kann der Beitrag angeschaut werden.
Lernen im Nachhilfezentrum Guwahati – um 1,5 Jahre Grundbildung nachzuholen. (Guwahati, Oktober 2021)
Veränderte Arbeitsweise
Das Motto des Jahres 2021 für die Arbeit des Teams von Childaid Network fasst Dr. Kasper rückblickend so zusammen: „Der Pandemie trotzen, innovativ voranschreiten, trotz aller Herausforderungen Nachhaltiges bewegen und digitale Lösungen nutzen, hier und in den Projektregionen in Nordostindien, Nepal, Bangladesch und Myanmar.“
Burmesische Tänzer beim Königsteiner Salon am 24.09.2021. (Königstein, September 2021)
Politisch instabile Situation
In Myanmar erschwert nicht nur die Pandemie, sondern auch der unerwartete Militärputsch vom 1. Februar dieses Jahres die Arbeit der Stiftung. Von den erschreckenden Zuständen, die seitdem in diesem landschaftlich so abwechslungsreichen und reizvollen Land herrschen, berichteten am 24. September bei einem hochemotionalen außergewöhnlichen Königsteiner Salon im Haus der Begegnung zwei intime Kenner des ostasiatischen Landes: die aus Myanmar gebürtige angehende Politikwissenschaftlerin Nyein Chan May, die in Würzburg studiert, und der aus Hamburg stammende Markus Meier.
Königsteiner Salon zeigt die Vielfalt Myanmars. (Königstein, September 2021)
Bürgerkriegsfolgen in Myanmar
Der 39-Jährige lebt seit mehr als acht Jahren als buddhistischer Mönch unter dem Namen Bhante Mokkhita in Myanmar und hat in der Nähe des touristisch viel besuchten Inle-Lake eine Klosterschule für Kinder und Waisenkinder gegründet und mit großem Erfolg geleitet. Nur mit großem Glück gelang ihm nach einer vierwöchigen abenteuerlichen Flucht mit Hilfe von anderen Mönchen in befreundeten Klöstern und der deutschen Botschaft die Ausreise. Mit dem Auftritt eines Tänzers in zauberhaften Kostümen, Musik einer Band und frisch zubereiteten kulinarischen Köstlichkeiten gewährte der Abend aber auch einen Einblick in die fremdländische Kultur des Landes, das viele Jahrzehnt völlig abgeschottet war und erst zehn Jahre Demokratie erleben durfte.
Besonders aufgrund der langen Schulschließungen sind Projekte für Bildungsqualität jetzt von enormer Bedeutung. So auch in dieser Schule im Südwesten Ramechhaps, die Teil unseres neuen Projektes ist, das im Oktober 2021 gestartet ist. (Doramba, Nepal, November 2021)
Armut hat strukturelle Ursachen
Auch in Nepal und Indien erschweren politische Entwicklungen die Arbeit der Stiftung. „Unsere Projektregionen sind nicht zufällig arm. Erdbeben, Umweltkatastrophen, politische Konflikte auch als Spätwirkung kolonialer Eingriffe tragen dazu bei, dass lokale Talente ausgebremst werden,“ analysiert Dr. Kasper im Gespräch. Die Stiftung engagiert sich bewusst in Regionen, wo die Armut besonders groß ist und die Menschen Unterstützung brauchen, um die eigenen Möglichkeiten zu entfalten.
Mit Spiel und Spaß erlernen Schulkinder in Nalbari neue Kompetenzen. Moderne Technik spielt dabei eine wichtige. Rolle (Nalbari, Assam, Oktober 2021)
Corona-Bildungslücken schließen
Unermüdlich arbeitet das Team von Childaid Network mit seinen Partnerorganisationen vor Ort trotz aller Corona-Beschränkungen daran, Kindern weiterhin den Zugang zu Bildung zu ermöglichen und die durch Schulschließungen entstanden Bildungslücken zu schließen. Dazu wurde ein neues ehrgeiziges Projekt entwickelt, das nun dank der Unterstützung von Accenture und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schrittweise in rund 1.000 Dörfern in Assam umgesetzt wird. Mit vielen freiwilligen Helfern, Nachhilfelehrern und digitalen Konzepten sollen möglichst alle Kinder auch in entlegenen Dörfern ihre Grundbildung nachholen können.
Mädchen in einem staatlichen Heim erhalten während des Lockdowns Unterrichts- und Hygienekits. (Udalguri, Assam, Juli 2021)
Großaktion für Waisenkinder
In den Heimen waren die Kinder während der Pandemie relativ sicher, aber auch über viele Monate von allen Außenkontakten abgeschnitten. Mit Sport und Nachhilfe wurde ihnen möglichst viel Abwechslung und Anregungen geboten. Ein Beispiel, das so überzeugend war, dass die örtliche Regierung bat, es auf alle 77 staatlichen Heime in Assam auszudehnen. Neben Unterrichts- und Spielmaterial versorgten Childaid Network und seine Partnerorganisationen die Heime zusätzlich mit Hygienekits, Masken und Thermometern.
In Nachhilfezentren schließen wir die Lernlücken der Kinder. Die Nachfrage ist groß. (Sunapati, Nepal, November 2021)
Pandemie Folgen lindern
Nun geht es darum, die psychologischen Folgen der Isolierung zu adressieren, keine leichte Aufgabe. Wie auch bei uns, Kinder leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie am stärksten, weiß Projektkoordinatorin Cynthia Dittmar. Häusliche Gewalt nahm drastisch zu, die Zahl der Suizide stieg und viele Mädchen wurden mit 13 oder 14 Jahren verheiratet, um einen Esser weniger in der Familie ernähren zu müssen. Sie macht sich Sorgen um die psychische Gesundheit der Kinder und befürchtet, dass viele nach Ende der Schulschließungen nicht wieder zum Unterricht kommen werden.
Eine Müttergruppe diskutiert wie das Rechte auf Bildung für ihre Kinder verbessert werden kann. (Lakhimpur, Assam, März 2020)
Ein Projekt für Kinderrechte
Um in der Krise gefährdeten Kindern zu helfen und Kinderrechte zu stärken, wurden an 86 Standorten „Covid-19-Dorfkomitees“ gegründet. Dorfregierungen, Jugendliche und Gesundheitshelfer klären die Bevölkerung auf und leisten konkrete Hilfe. Über 7.000 Kinder erhielten, um im Lockdown lernen zu können, Arbeitsbücher und Schreibwaren, dazu Nachhilfeunterricht im Freien. In 45 Dörfern werden in einer ersten Pilotphase zudem neue Kinderrechtsprojekte umgesetzt. Dabei arbeiten Dorfälteste und lokale Behörden eng mit Eltern, Dorfausschüssen, Schul- und Kinderclubvertretungen zusammen. Denn nur, wenn Kinder ihre Rechte kennen, können sie diese auch einfordern. Ehrgeiziges Ziel dieser Aktivitäten ist es, in den kommenden zwei Jahren mindestens 80.000 Kinder zu erreichen und langfristig mit Unterstützung der Regierung ein Netzwerk für Kinderrechte in ganz Assam zu etablieren.
Lernen mit Freude: So auch in dieser Vorschulklasse, die Teil unseres erfolgreichen Pilotprojektes für frühkindliche Bildung war. (Thosey, Nepal, September 2021)
Veränderte organisatorische Struktur in Nepal
Um die weitere strukturelle Ausweitung zu begleiten ist Childaid Network in Nepal jetzt offiziell als INGO (Internationale Nichtregierungsorganisation) anerkannt und arbeitet in enger Abstimmung mit der Regierung, vor allem bei Berufsbildungs-, Gesundheits- und Schulqualitätsprojekten. Projekte in zwei weiteren Landgemeinden, Doramba und Sunapati im Südwesten, sind zu den beiden nördlichen Landgemeinden Ramechhaps dieses Jahr hinzugekommen, weil sie besonders bedürftig sind. Weitere geographische Ausweitungen in den besonders armen westlichen Provinzen werden vorbereitet.
Auch sie sollen die Chance auf gute Bildung haben! Das treibt uns bei Childaid Network an. (Umakunda, Nepal, November 2021)
Mit Schwung ins Neue Jahr
Die Weihnachtsevents sind verschoben, die Pandemie hat uns wieder im Griff. Doch Childaid Network lässt sich davon die Energie nicht nehmen: „Wir konzentrieren unsere Planungen nun alle auf den April und Mai, da feiern wir das 15. Jubiläum dann hoffentlich bei frühlingshaften Veranstaltungen ohne Corona-Beschränkungen,“ verkündet Dr. Kasper im Ausblick.